Eins gleich vorweg: Was der Dalai Lama, auch als „Botschafter des Friedens"
und als eine weltweit geachtete Persönlichkeit mit hohem moralischen Wert
bekannt, in seinem Buch vermitteln will, stellt so ziemlich alle Pfeiler unserer
Lebenspraxis in Frage, wirbelt viele Lebenspläne durcheinander und stellt alles
bisher Gedachte und Erlernte auf den Kopf. Dabei spielt es keine Rolle, dass er
sich an religiös Gläubige wie auch an Nicht-Gläubige gleichermaßen wendet.
Auch der immer wieder zu hörende Hinweis, es handle sich um nichts Magisches,
nichts Mystisches vermag die Sprengkraft seiner Botschaft nicht zu entschärfen.
Seine geistige Revolution, der er für die Menschheit fordert, basiert auf der Forderung
nach Mitgefühl, Liebe und Demut. Er verlangt, das Interesse am Wohlergehen der
anderen über das eigene zu stellen. Die Belohnung für diese altruistische Haltung
wird innerer Frieden, wird Glück sein.
So weit eine Zusammenfassung der revolutionären Ausführungen, die bei näherer
Betrachtung interessant, attraktiv und gar nicht so unvernünftig sind. Denen man
sich jedoch nur langsam, Schritt für Schritt nähern kann. Das Hörbuch mit seiner
Kapiteleinteilung kann dabei gut behilflich sein.
Dass Reichtum keine Quelle für Glück ist, dass in westlichen Industrienationen mit
ihrem immer noch beträchtlichen Wohlstand das Glück und die Zufriedenheit nicht
gerade Hochkonjunktur haben, das anzuerkennen fällt ziemlich leicht. Weshalb das
allzeit zu praktizierende Mitgefühl für den anderen - und das bei der Beibehaltung
unserer gewohnten Lebensumstände, also ohne Eskapismus, ohne Aussteigen -
zu größerer Zufriedenheit, Gesundheit, zu Glück führen soll, das zu erkennen, fällt
allerdings wirklich schwer. Wie soll es gehen? Wer nicht kämpft, geht unter. Soll ich
lächelnd zusehen, wie mir Zug um Zug alles aus den Händen genommen wird? Wie
ich immer mehr degradiert und gedemütigt werde. Wie das Biest mit altbekannten,
dennoch üblen Tricks sich Schritt für Schritt hoch arbeitet. Man muss sehen, wo
man bleibt, gerade in diesen Zeiten! Oder?
Immerhin: Einen verlockenden, sofort sichtbaren Aspekt hat das Ganze natürlich
schon. Wer sich negativen oder blockierenden Gefühlen hingibt, wer sich ärgert,
missgünstig oder eifersüchtig ist, wird seinen inneren Frieden verlieren, wird das
erleiden, was er dem „Kontrahenten" gewünscht hat: Er wird sich nicht wohlfühlen.
Dennoch: Da das Mitgefühl auf alle Menschen, und nicht nur auf die uns nahe
Stehenden ausgedehnt werden soll, stellt sich dann doch wieder die Frage nach
der Praktikabilität. Sicher jedenfalls ist eins. Diese Umwandlung ist eine lebenslange
Aufgabe und ohne Disziplin und auch ohne Demut nicht zu erreichen.